Gemessen an der Zahl der Neueinträge in den Warnlisten der Finanzmarktkontroll-Behörden bis zum Frühjahr dieses Jahres haben wir es derzeit mit einer enormen Zunahme von betrügerischen Tradingangeboten an deutsche Anleger zu tun. In der Warnliste der deutschen Finanzaufsichtsbehörde BaFin sind es pro Woche in der letzten Zeit immer häufiger bis zu fünf Neueinträge. Hinzu kommen die Einträge in den Warnlisten der deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Schweiz. Aber auch in anderen Ländern, insbesondere in Großbritannien und Benelux, gibt es immer mehr Warnungen vor Tradingbetrugsanbietern, die sich eindeutig auch oder sogar ausschließlich auf den deutschen Markt beziehen.
Seit Anfang letzten Jahres berichteten wir mehrfach. Die Betrugsunternehmen wenden sich, über Social Media, per E-Mail, Internet, oder ganz einfach per Telefon vor allem an den eingangs beschriebenen Anlegerkreis. Regelmäßig werden hohe Gewinne in ganz kurzer Zeitfolge versprochen. Die Betrugsunternehmen existieren nicht wirklich in Form von Unternehmen, denn sie sind in aller Regel in keinem Firmenregister registriert. Auch die vorgeschriebenen Einträge in den Registern der Finanzbehörden fehlen regelmäßig. Das eingezahlte Anlegergeld verschwindet meist innerhalb weniger Wochen spurlos und meist unwiederbringlich.
Geschädigt sind natürlich alle investierten Anleger. Der Schaden ist aus der Sicht des betroffenen Anlegers meist sehr hoch, weil die Betrüger es trickreich darauf anlegen, in den Besitz sämtlicher Vermögenswerte zu gelangen. In den meisten Fällen stammen die Gelder aus Altersvorsorgerücklagen bei Banken, in Investmentfonds und Lebensversicherungen. Der Schaden ist also nicht nur für die betroffenen Anleger, sondern auch für den Sozialstaat hoch, weil viele dieser irregeleiteten Anleger im Alter auf soziale Systeme zurückgreifen müssen, da ihre eigene Vorsorge nicht mehr existiert.
Es ist nicht nur die Niedrigzinsperiode und das Homeoffice, das Anleger in die Krallen der kriminellen Betrüger treibt. Die Anbieter haben offenbar bemerkt, dass die deutschen Anleger für diese Form der Betrugsangebote besonders empfänglich sind.
Dazu kommt, dass sich im Ablauf gerade in den letzten Monaten einiges geändert hat. Plötzlich verzichten viele Anbieter auf den für sie gefährlichen und teuren Weg beim Einzahlungsvorgang des Anlegergeldes, der unter dem Stichwort "Money Mule" (deutsch: Geldmaultier) bekannt ist. Die Geldmaultiere sind Personen, die ihr privates Bankkonto für den Transfer des Anlegergeldes auf die privaten Konten der Anbieter zur Verfügung stellen.
Dadurch, dass sich nun die Anbieter nicht mehr scheuen, ganz offiziell ihren angeblichen Firmensitz auf einer auf einer Landkarte kaum auffindbaren Miniinsel (aktuelle Favoriten: Marshall Islands, St. Vincent and the Grenadines, Dominica.) auf der Homepage und im Kontakt zum Anleger zu kommunizieren, bekommt die direkte Zahlung direkt in die Südsee aus Sicht des Anlegers eine gewisse Logik.
Für die betroffenen Anleger kann dies jedoch gravierende Folgen haben: Sie können nun zusätzlich der Geldwäsche bezichtigt werden. Am Ende eines solchen Tradingabenteuers kann also nun neben dem Totalverlust des eingesetzten Geldes auch noch eine hohe Geld- oder sogar eine Gefängnisstrafe wegen Geldwäsche winken. Anleger, die sich damit verteidigen, dass sie den Vorgang nicht überblickt hätten, dürften wegen der nun sehr simplen Umstände des Geldtransfers wenig Chancen auf Gehör haben. Anleger könnten zudem mit der Geldwäschedrohung erpresst werden, z.B. zu weiteren Geldanlagen.
Die Betrugsmethoden sind meist so leicht zu durchschauen, dass Anleger damit rechnen müssen, dass Ihnen im Falle juristischen Vorgehens gegen den Anbieter auch noch Mittäterschaft unterstellt wird. Wenn da zum Beispiel ein Anbieter auf seiner Homepage mit einem "Sicherheits- und Garantiefonds" wirbt, den Begriff "Unterzeichnete Kurzbankkonten" verwendet und den Anleger fragt "Bist Du bereit abzuheben und Dich aus dem Üblichen zu befreien?", wenn er einen "Sozialen Handel" verspricht oder Sprüche wie "Das Schicksal ist für Verlierer. Intelligente Menschen gestalten ihre Zukunft." absondert, dann fragt man sich, was Anleger, die darauf hereinfallen, sich gedacht haben könnten. Alle zitierten Anbieteraussagen stammen aus den Homepages von Anbietern, die von der BaFin innerhalb einer einzigen Woche im Sommer 2021 auf die Warnliste gesetzt wurden.
Geld an Adressen wie die obengenannten in die Südsee zu überweisen ist in der Regel gleichbedeutend mit Totalverlust. Firmen müssen irgendwo eingetragen sein, müssen zu Geldanlageangeboten berechtigt sein und müssen auf der Homepage Eigennamen von Verantwortlichen nennen. Außerdem, wer Anlagen zeichnet, die er nicht überblicken kann, und das ist bei Trading in 99 % der Fälle so, ist bei dem fast sicheren Totalverlust selbst schuld. Das sehen nach meiner Erfahrung auch die meisten Richter so.
Dieser Beitrag wurde erstellt von Helmut Kapferer.
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